Die Dekolonisierung unserer Bildung

Faysal I. (24) hat an der Maastricht University studiert. Ihm Rahmen seines Studiums hat er sich insbesondere mit der Dekolonisierung des westlichen Lehrplans beschäftigt (Ibrahim, F. (2020). Decolonising the curriculum – the rise of anti-sciences in the realms of the study of Africa. Maastricht University). Er erklärt, warum das Thema vor allem in Deutschland so wichtig ist. 

Eine formelle akademische Bildung gilt als integraler Bestandteil des Fortschrittes in der westlichen Welt. Die Philosophen des antiken Griechenlands waren hierbei Vorreiter und bis heute lassen sich Grundprinzipien der platonischen Akademie in unseren Universitäten widerspiegeln. Es vergingen seitdem mehrere hunderte Jahre, in dem sich der wissenschaftliche Bildungsstand verfestigte und weitergeführt worden ist und dies zumeist von weißen, alten Männern.

Bis vor Kurzem hat das keinen gestört. Dass Nietzsche, Kant und Habermas zum akademischen Kanon gehören und nichts anderes gelesen wird, war kein offensichtliches Problem. Das ist halt einfach so und junge Studierende, die gerade erst die Schule beendet haben, sind meist auch sehr unsicher, Dinge kritisch zu hinterfragen. Heute kristallisiert sich mehr und mehr heraus, dass nicht nur die Professor:innen an den meisten Universitäten Deutschlands weiß sind, sondern auch ihre Literaturliste.

In der anglophonen Welt redet man von einem „Self-Perpetuating Cyle“, ein Prozess, der sich wiederholt und weiße Normen und Wertvorstellungen in der Akademie reproduziert. Dies hat zur Folge, dass sich mehr und mehr afrikanischstämmige Studierende fragen „Why is my Curriculum White?“. In Facebook-Gruppen erörtern Schwarze Akademiker:innen, warum sie in Bildungsinstitutionen so unterrepräsentiert sind und weiße Menschen so dominant sind. Hierbei wird sehr oft der sogenannte „Selection Bias“ angesprochen, der dazu führt, dass jeder akademische Kohort die gleichen Autorenschaft liest, die zumeist dem zuvor genannten Establishment gleicht. Von einer Vielfalt an Autorenschaft kann hier niemand reden.

Eine solche Vielfalt im Bildungsbereich ist jedoch enorm wichtig für die Gesellschaft. 2018 hatte in Deutschland jede vierte Person einen Migrationshintergrund. Die afrodeutsche Diaspora beläuft sich nach informellen Statistiken auf über eine Million. Wenn diese Vielfalt nicht auch in unseren Universitäten widergespiegelt ist, verlieren wir schlechthin einen großen Teil unseres Talentes. Um dies nochmal in Perspektive zu stellen. Im Vereinigten Königreich, wo die Schwarze Bevölkerung um einiges größer ist als in Deutschland gibt es unter 14.000 weißen Professoren nur 25 Schwarze. Diese Diagnose kann im deutschen Beispiel nur noch schlechter ausfallen.

Wichtig ist aber, wenn über die Dekolonisierung der Akademie gesprochen wird, dass dies kein Aufruf ist sämtliche weiße Literaturschaffende aus der Universität zu verbannen. Vielmehr geht es darum, eine Vielfalt zu kreieren, mit der sich Studierende verschiedener kultureller Hintergründe identifizieren können. Einen Ort der Lehre zu schaffen, in dem sich alle Mitglieder der Gesellschaft wohl und anerkannt fühlen. Die „Decolonizing the Curriculum“ Bewegung hat sich vor allem in der anglophonen Welt ausgebreitet. Die Birbeck University of London und die SOAS, University of London sind hierbei Spitzenreiter. Es ist abzusehen, wann auch deutsche Universitäten mitziehen werden. Diese Fehler werden zum Teil bereits erkannt.

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