Wie wird ein Schwarzes Mädchen aus Deutschland zu einem Otaku?

Es gibt viele, die ihre ersten Kontakte zu Anime über RTL II (Pokito) gemacht haben, als die ersten Animes im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Bei mir war es jedoch anders. Schon seitdem ich klein war, habe ich es geliebt zu lesen. Mein erstes Buch war eine Kinder-Bibel, die ich von meinen Paten-Eltern zur Taufe erhalten habe. In den folgenden Jahren durfte ich mich zum Geburtstag, Weihnachten oder zwischendurch stets über Bücher oder Comic-Hefte freuen. Angefangen von dem „Regenbogenfisch“, den „Fünf Freunden“, „Wilden Hühnern“, „Hanni und Nanni“, „TKKG“, „Donald Duck & Co“, Marvel & DC-Superhelden“, „Sonic“, war alles mit dabei. Sobald ich nichts Neues zum Lesen hatte, habe ich mir ein schon gelesenes Buch geschnappt und es einfach noch einmal gelesen.

Als ich in die 5. Klasse kam, trat ich der „Lese-AG“ meiner Schule bei. Ja, ich weiß, dass hört sich ziemlich nerdig an. Welches Kind bleibt freiwillig länger in der Schule, um ein Buch zu lesen? 😀

Doch ja, ich und ein paar wenige andere Kinder waren diese Art von Kind.

Unser erstes Buch das wir lasen war gleichzeitig mein erstes Fantasy-Buch und ließ mich in eine neue Welt eintauchen: „Der kleine Hobbit“ von J.R.R. Tolkien. Für die, die es nicht wissen: „Der kleine Hobbit“ wurde 1937 von Tolkien geschrieben und ist die Vorgeschichte der „Herr der Ringe – Trilogie“, die 1945 bis 1955 folgte. Allein das dieser Mann schon damals so eine Welt wie die der Hobbits, Zwergen, Elben, Orks und Menschen erschaffen konnte, ist für mich bis zum heutigen Tage beeindruckend.

Das Ganze löste buchstäblich eine Lawine aus. Ich habe noch mehr gelesen und meine Leidenschaft für Fantasy-Bücher (-Filme) entdeckt. Als nächstes folgte Harry Potter, eine weitere große Leidenschaft von mir.

Aber kehren wir erstmal zurück zum eigentlichen Thema: In der 7. Klasse wechselte ich gegen meinen Willen aufs Gymnasium. Ich war traurig und wollte meine Freunde nicht verlassen, da ich sehr schüchtern war und nicht wusste, ob ich neue Freunde finden würde.

Doch auf dem Gymnasium lernte ich ein Mädchen in meiner Klasse kennen. Sie war das Gegenteil von mir, sehr selbstbewusst, nicht auf den Mund gefallen und stets laut und lustig. Wir entdeckten, dass wir beide das gleiche Hobby teilten und zwar das Lesen! Auf unserem Schulweg lag ein (für uns damals riesengroßer) Comicbuch-Laden. Ich erinnere mich nicht mehr genau an den ersten Tag, an dem wir ihn betraten, aber seit diesem Tag bis zum Abitur, waren wir fast jede Woche dort, manchmal täglich. Wir verbrachten Stunden nach der Schule im Laden und lasen Manga, anstatt nach Hause zu fahren. Der Besitzer war so freundlich und hatte nichts dagegen, dass wir es uns dort gemütlich machen, lesen und uns austauschen. Natürlich investierten wir auch unser Taschengeld und kauften viele viele Manga-Bücher. Das tolle an unserer Freundschaft und dem Hobby war, dass wir immer unterschiedliche Manga kaufen konnten und sie dann getauscht haben (so machten wir es übrigens auch mit Büchern).

Rückblickend betrachtet war meine Kindheit bzw. Jugend teilweise wie in der amerikanischen Serie „Big Bang Theory“. Genauso wie die Jungs in der Serie, hatten wir viel Spaß dabei im Comicbuchladen abzuhängen und generell gemeinsam Bücher zu lesen (manchmal auch im Thalia). Das einzige, was wir nicht getan haben, war Cosplay. Irgendwie kamen wir beide nicht auf die Idee uns zu verkleiden. Was ich jetzt mittlerweile ein wenig bereue. 😀 Doch zumindest waren wir auch zusammen auf der Frankfurter Buchmesse und haben uns den dortigen Cosplay-Wettbewerb angeschaut.

Parallel zu Manga fing ich auch an im Fernsehen Anime zu schauen. Ich habe die japanischen Zeichentrickserien geliebt: Dragonball, Pokémon, Digimon, Sailor Moon, Ranma ½, Inuyasha, Conan, Naruto und vor allem One Piece.

Dragon Ball sah ich das erste Mal als Kind, als ich in Paris bei meinen Cousins war, denn im frankophonen Raum war der Anime-Trend schon in den 90er angekommen. Es machte so viel Spaß, Pokémon Karten zu sammeln und ich konnte mich mit vielen Protagonisten aus den Animes identifizieren und liebte es, die Opening-Songs zu singen.

Abgesehen von meiner (Schulfreundin, hatte ich noch meine Cousine und meine Kindheitsfreundin Jenny (mit der ich bis heute diese Leidenschaft teile), mit denen ich diskutieren konnte. Die meisten meiner Freundinnen taten Anime nur als „Kinderfilme“ ab und machten sich über mich lustig und tun es noch bis heute. Doch auch wenn ich als Kind und Teenager eher schüchtern war, war es mir schon immer egal, ob andere die Dinge, die ich mochte, nicht mochten. Es hat mich nicht groß gestört alleine mit diesem Hobby zu sein. Stattdessen habe ich es einfach alleine genossen und mich damit abgetan, dass ich „komisch“ bin, kein typisches (schwarzes) Mädchen und für manche vielleicht „weird“ wirke. Doch ich dachte mir immer: „Lieber bin ich komisch und anders, statt normal und langweilig“ – das war mein Motto.

Je älter ich wurde, desto besser verstand ich über die Jahre die tiefgründigen Botschaften in Anime. Es war kein kindliches oberflächliches Schauen mehr, sondern ich begriff die komplexen Handlungen und Geschichten bzw. Schicksalsschläge der einzelnen Charaktere sowie die gesellschaftskritischen Aussagen.

2011 fing ich von vorne mit One Piece an, schaute alle (damals 700) Folgen und las den Manga von vorne. Parallel fing ich an, online viele Anime zu streamen, die nicht im deutschen Fernsehen liefen. Ich schaute z.B. Death Note, einen meiner absoluten Lieblings-Anime und meldete mich gemeinsam mit meiner Freundin Jenny in Anime-Foren an und wir traten Anime-Facebook-Gruppen bei. Je mehr Anime ich sah, umso mehr wuchs meine Liebe dazu.

Ich gehöre grundsätzlich zu den Menschen, die das was sie lieben, bis ins Extreme lieben. Ich sammle gerne Merch-Kram, wie z.B. Figuren, Tassen, Becher, T-Shirts, Poster und sonstige Fanartikel. Ich kann stundenlang darüber reden. Sobald ich andere Menschen kennenlerne, die ebenfalls Manga/Anime Fans sind, sehe ich sie direkt als meine Nakamas (Freunde) an! Für mich sind alle Otakus meine Familie!  😀 Und ich liebe es! Es bereitet mir einfach unfassbar viel Freude.

Natürlich sehe ich nicht wie ein klischeehafter Otaku (Nerd) aus. Auf den ersten Blick wirke ich wie eine arrogante Tussi, zumindest, ist es das was mir Leute erzählen. Deshalb sind viele immer überrascht, weil ich A Schwarze bin, B eine Frau bin und C eher wie ein moderner Fashion-Freak wirke. Ich arbeite in der Modebranche und bin nebenbei als Model und Content Creator tätig. Natürlich, machen sich die Menschen ein Bild und versuchen einen in eine Schublade zu stecken.

Meine Versuche, mich in Facebook-Gruppen mit anderen Anime-Fans auszutauschen gingen schief, da die meisten männlichen Personen eher versuchten mich auf eine unangemessene sexuelle Art anzumachen. Da sie meist dachten: Ah geil eine Frau die auf Animes steht Lets Go -.-

Aus diesem Grund habe ich im Herbst 2015 eine One Piece-Whatsapp-Gruppe gegründet für mich, meine Freunde und den Freunden meiner Freunde, wo wir uns hauptsächlich über One Piece austauschen, aber auch über andere Anime. Im Februar diesen Jahres, entschied ich mich dafür, die App Clubhouse nebenbei dafür zu nutzen, mich mit anderen Anime-Liebhabern auszutauschen und machte spezifische Anime-Räume. Ich lernte einige Menschen kennen, überraschenderweise auch viele andere PoC, die ebenfalls diese Leidenschaft teilten. Wir alle freuten uns, dass wir uns über diese Plattform finden konnten, da die meisten von uns keine anderen Schwarzen Anime-Fans kannten. Mitte März entschieden mein Kumpel Gloire und ich uns dafür, auf Clubhouse einen Club mit dem Namen „Otaku Club Ger“ zu gründen. Der Club dient als Plattform, in der Anime-Geeks zusammenkommen können und über ihre Lieblings-Anime, Mangas und über Japan quatschen können. Es finden wöchentliche Talks statt zu unterschiedlichen Themen. Außerdem haben wir eine Instagram Seite „otakuclubger“ und eine Gruppe auf Discord „Otaku Club Germany“. Wir freuen uns stets über neue Teilnehmende und darauf ihre Erfahrungen und Meinungen zu den Themen zu hören.

Abschließend, kann ich nur sagen, das Manga, Anime, Superhelden und meine Fantasy-Charaktere zu einem Teil meines Lebens geworden sind. Es war und ist für mich keine Phase und wenn ich mir vorstelle, irgendwann in der Zukunft mit meinen Kindern Anime zu schauen, freue ich mich schon sehr darauf. #LifeGoals

Sonia Lebe ohne ihren (Nerd-)Kram? Sowas gibt es nicht. Wenn ich eine Manga-Figur wäre, würde ich Trafalgar D. Water Law oder Satoru Gojo heiraten. Und Monkey D. Luffy, wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben!

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