Warum wir nicht noch eine Statistik zum Migrationshintergrund brauchen..

Nach den Bundestagswahlen in Deutschland stehen neben den Parteien auch die neuen Bundestagsabgeordneten fest. Unter den 735 Abgeordneten sind drei Schwarze Deutsche (mit senegalesischen, kamerunischen und eritreischen Wurzeln). Die Jahre davor war Dr. Karamba Diaby bislang die einzige schwarze Person im Bundestag. 18 Bundestagsabgeordnete haben türkische Wurzeln, darunter auch die erste türkischstämmige Abgeordnete in der CDU. Etwa 31 Abgeordnete haben Wurzeln in anderen Ländern der Europäischen Union, wie z.B. Italien oder Polen. Sechs Bundestagsabgeordnete haben iranische Wurzeln.

Eine solche Darstellung wäre für uns deutlich greifbarer und gäbe uns mehr Auskunft über die Vielfalt der Mitglieder im Bundestag, oder? Natürlich beschränkt sich Vielfalt nicht nur auf den Faktor Herkunft. Ich will hier aber auf diesen Aspekt genauer eingehen.

Stattdessen fokussieren sich Statistiken weiter allgemein auf den Migrationshintergrund, ohne detaillierte Erläuterung. Der Mediendienste stellt fest, dass 11,3 Prozent der Bundestagsabgeordneten einen Migrationshintergrund haben, was rund drei Prozentpunkte mehr als 2017 sind. Von den 735 Abgeordneten, haben aktuell somit 83 einen Migrationshintergrund. Klingt erstmal positiv, oder? Die Linke hat mit ca. 28 % den höchsten Anteil unter den Parteien, und die CDU/CSU mit ca. 5 % den geringsten. In der deutschen Bevölkerung liegt der Anteil bei ca. 26 %. Für alle Diversity Beauftragten sollte das wohl ein Grund zum Feiern sein. Aber was sagen uns diese Statistiken wirklich über die gelebten Erfahrungen und den dringend nötigen Gedankenaustausch in Deutschland und im Bundestag? Nicht sonderlich viel.

Das statistische Bundesamt definiert eine Person mit Migrationshintergrund als eine Person, die selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde. So geht der Begriff auch mehrheitlich in die Statistiken ein. Eine neue Definition bzw. Begriffsfindung wäre auf jeden Fall hilfreich und sinnvoll.

Eine Person mit einem polnischen, italienischen oder österreichischen Elternteil oder die aus diesen Ländern nach Deutschland kam, gilt wie eine Person, die aus Senegal oder Eritrea eingewandert ist, oder deren Elternteil, als eine Person mit Migrationshintergrund. Die Lebensrealitäten dieser Menschen in Deutschland sowie ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Statistiken spiegeln das kaum wieder. Sie geben ein verschwommenes Bild von Vielfalt wieder. Das soll, wie erwähnt nicht heißen, dass Vielfalt nur darauf reduziert werden kann, es ist aber dennoch ein Teil.

Um echte Veränderung zu schaffen, müssen die Lebensrealitäten der Menschen widergespiegelt und greifbar sichtbar gemacht werden. Statistiken über die steigende Rate an Menschen mit Migrationshintergrund in bestimmten Positionen, wirken zwar zunächst erfreulich, aber nach genauerem Hinschauen wägen sie, ohne detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung, nur die Entscheidungstragenden in Sicherheit. Die Ergebnisse sind so schwammig, dass sich kaum jemand so richtig angesprochen fühlen kann…

Bei der Vielfalt geht es gerade darum Unterschiede zu zelebrieren. Dafür müssen sie jedoch erst einmal anerkannt werden. Damit die Herkunft der Menschen in Deutschland irgendwann eine zweitrangige Rolle spielen kann, sollten wir den Mut haben einen echten und ehrlichen Diskurs über Herkunft und deren Unterschiede führen zu können, und diese auch differenziert darzustellen. 

Man muss fairerweise sagen, dass die Recherchedienste nur die vorliegenden Informationen auswerten können. Die Arbeit müssen insbesondere Institutionen, Unternehmen, Parteien etc. in Deutschland leisten und den Rahmen für diesen Diskurs schaffen.

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