Ein Gastbeitrag von Améthyste B.
Seit dem 24. Februar. 2022 herrscht wieder Krieg in Europa. Oder zumindest das Europa, von dem keiner wirklich redet, aber dazu gleich mehr. Russland führt offiziell und öffentlich einen Krieg in der Ukraine, um das bis dato unabhängige Land für sich zu gewinnen. Die Welt ist seitdem komplett erschüttert. Es wird hitzig über die steigenden Ölpreise diskutiert, die Wehrfähigkeit wird wieder in Erwägung gezogen und es wird vor allem ganz viel auf die Krise der Geflüchteten aufmerksam gemacht. Mehr als je zuvor. In Bahnhöfen warten Menschen mit Hilfspaketen, alle sind an ihren gelben Hilfsjacken einfach zu erkennen und der Wille, viele flüchtende Familien, Frauen und Kinder aufzunehmen, ist auch größer als erwartet. Schockierend teilweise, da es bei den letzten Krisen immer hieß, dass es in Deutschland nicht genügend Platz gäbe und die Menschen ja nicht einfach herkommen und erwarten könnten, den gleichen Service und die gleiche Unterstützung zu bekommen wie Einheimische. Aber diese Krise unterscheidet sich von den anderen bisher maßgeblich. Kinderserien auf Deutschlands größtem Sender ARD werden teilweise auf Ukrainisch übersetzt, Kinder und Jugendliche bekommen in der Schule zusätzlichen Unterricht, der auf sie angepasst ist und Menschen werden einen Monat nach der Krise immer noch aufgerufen, Kleidung und andere essenzielle Sachen zu spenden. Warum dies bei den anderen Krisen mit Geflüchteten, nicht so gehandhabt wurde, darüber wird hier nicht gesprochen. Es wird weggeschaut und sich mit teilweise banalen Ausreden wie: „Aber jetzt machen wir ja was“, herausgeredet. Lasst uns das Kind einfach beim Namen nennen: Das Problem heißt Rassismus und er ist in dieser Krise präsenter als je zuvor. Aber da Rassismus in Deutschland ja bekanntlich erst seit 2020 existiert, als die ganze Welt zuschauen durfte, wie ein afro-amerikanischer Mann ein Bein am Hals bekam, müssen wir, die Community ja etwas Verständnis gegenüber nicht-afrodiasporischen Menschen haben. Nein, Spaß beiseite, dieser Krieg stellt uns gerade vor einem neuen Problem, welches uns davor in dieser Art in Europa noch nicht begegnet ist. Während appelliert wird, vor allem Frauen und Kinder und Studierende aus der Ukraine aufzunehmen und so schnell wie möglich in Zügen zu befördern, müssen wir zusehen, wie ausschließlich Weiße aus der Ukraine bei der Flucht unterstützt werden. Afrikaner*innen und Afghaner*innen werden dabei komplett außen vor gelassen. Und das ist ein riesiges Problem, über das nicht geredet wird. Als mir das Problem zum ersten Mal vor die Augen trat, war ich erschüttert, verletzt, wütend und vor allem traurig, aber nicht überrascht. Mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass auch ich zu den Menschen gehören könnte, die bei einem potenziellen Krieg in Deutschland nicht beachtet werden und aus der Schlange geschubst werden könnten, um meinen weißen Freund*innen Vorrang zu geben. Der Gedanke hinterlässt mich und meine Community sehr verletzt und einsam, weswegen es jetzt vor allem am wichtigsten ist, dass wir, die Schwarze Community in Deutschland, Räume einnehmen, einander unterstützen und zusammenhalten.
Diese Unterstützung sehen wir auch gerade in unseren Communities und es werden viele junge Schwarze Studierende aufgenommen, die in der Ukraine leben und genauso ansässig sind, wie andere Bürger*innen dort. In Berlin-Wedding durfte ich einige Studierende aus dem Kongo, Nigeria und Angola kennenlernen, die dort untergebracht sind. Sie sind alle zwischen 17 und 25 Jahre alt und die Dauer, in der sie sich schon in der Ukraine aufhalten, variiert von drei Monaten bis hin zu fünf Jahren. Sie sind, wie viele andere, hauptsächlich auf finanzielle Spenden angewiesen, welche für die Unterkunft, Essen, Kleidung sowie Anwaltskosten genutzt werden. Organisiert wird das alles von den Freiwilligen Isa Konga und Mbrima Mbula, die vom Deutsch-Kongolesischen Jugendinstitut e.V. auch Vor-Ort unterstützt werden. Aktuell werden ca. 50 Studenten betreut, für die der Verein ein Spendenkonto ( https://www.paypal.com/donate/?hosted_button_id=2S7FDAXW8ZHAQ) errichtet hat. Bislang wurden mehr als 3000 € privat und auf das Konto gespendet. Die Studierenden, die ich kennenlernen durfte, wohnen in einer geplanten Bücherei und sind in verschiedenen Räumen und Zimmern aufgeteilt. Aufgeteilt sind die Räume in Männer- und Frauenzimmer und alle hoffen, in Deutschland weiter studieren zu dürfen. Die meisten studieren technische Fächer, ein paar wirtschaftliche Fächer und alle sind auch mehrsprachig begabt. Diesen Faktor finde ich wichtig zu erwähnen, da Geflüchteten, oftmals ihre Begabungen und Skills abgesprochen oder gar nicht anerkannt wird. Von einem jungen Studenten namens Brian erfuhr ich, dass er seit fünf Jahren Business studiert und sich in den Jahren, sowohl Französisch als auch Spanisch selbst beigebracht hat und beide Sprachen fließend spricht. Die jungen Menschen, die dort untergebracht sind, sind genauso wie ich. Sie sind für ihr Studium umgezogen und haben die gleichen Ambitionen und Ziele, wie wir in dem Alter hatten oder haben. Das vor den Augen geführt zu bekommen, sollte ein Anreiz sein, um sie genauso zu behandeln und wahrzunehmen, wie alle anderen Studierenden in Deutschland.