Jeder Krieg bringt Flüchtlinge. So war es beim Krieg im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan, im Irak oder in Syrien, um nur einige wenige zu nennen. Krieg bringt Leid und das sogar nachhaltig über Generationen hinweg. Kurz nach den ersten Bombeneinschlägen in der Ukraine, haben sich Menschen in Sicherheit gebracht und die Flucht in Richtung Westen angetreten. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Ukraine wurden so über Nacht zu Kriegsflüchtlingen. Durch die Flucht verloren viele Menschen ihre Lebensgrundlage, welche sie sich über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut haben. In Westeuropa war das Entsetzen über den begonnenen Krieg groß, vor allem weil er so nah ist.
“Ein Krieg mitten in Europa”
Immer wieder war von Führungspersönlichkeiten aus der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu hören, dass ein Krieg in Europa nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr für möglich gehalten wurde. Die Aussage löst ein gewisses Befremden aus, denn war der Krieg in Jugoslawien in den Jahren 1991 – 2001, nicht nach dem Zweiten Weltkrieg? Ist es davor und in der Folge dessen, an anderen Orten in Europa nicht immer wieder zu kriegsähnlichen Situationen gekommen? Es sollte viel mehr Empathie für das Leid von den Menschen in Europa gezeigt werden. Auch wenn die Geschehnisse nicht mehr in den Schlagzeilen sind, bleiben die Schmerzen stets präsent.
Die Aussage löst aber auch Befremden aus, weil sich unweigerlich die Frage aufdrängt, ob der Krieg nur schlimm ist, weil er in Europa ist? Wäre es also weniger schlimm, wenn der Konflikt an einem fernen Ort in Asien, Südamerika oder gar Afrika stattfinden würde? Ist unsere Sympathie in Europa eine Frage der Geografie? Sollten wir unsere Moral von geopolitischen Gesichtspunkten ausmachen? Angesicht, der europäischen Geschichte, die von einer schier endlosen Zahl an kriegerischen Konflikten, welche sogar in andere Gebiete der Welt überschwappten, geprägt ist, sollte uns Leid und Unrecht überall auf der Welt beunruhigen.
Flüchtlinge, wenn Ethnie über Ethik steht
Auch wenn es sich bei den flüchtenden Menschen aus der Ukraine ganz offensichtlich um Kriegsflüchtlinge handelt, hat sich schnell abgezeichnet, dass die Solidarität wohl eher eine Frage der ethnischen Zugehörigkeit statt der Ethik ist. Berichte über afrikanischstämmige Menschen, welche an Bahnhöfen oder Grenzübergängen aufgehalten wurden, macht die afrodiasporische Gesellschaft in Europa und in der Welt zurecht wütend. Viele fragen sich, warum sich in so einer Situation eine Mehrklassengesellschaft zeigen muss. Bei den Menschen aus der Ukraine, die keine weiße Hautfarbe haben, handelt es sich nicht um„Sozialtouristen“ oder „Wirtschaftsflüchtlinge“, wie viele gerne von der europäischen Politelite verunglimpft werden. Es sind Menschen, die z.B. für ein Studium in die Ukraine gekommen sind und sich dort rechtmäßig aufhalten. Es sind Familien, welche seit langer Zeit ihren Lebensmittelpunkt in der Ukraine haben. Jetzt sind sie Kriegsflüchtlinge, die jeden Anspruch auf Schutz und Hilfe haben, wie andere Kriegsflüchtlinge auch. Es ist unmenschlich, nicht Weiße Menschen die Flucht zu verweigern oder zu erschweren. Sie sind genauso so unschuldig am Kriegsausbruch wie der Rest der Bevölkerung der Ukraine.
Wenn wir über das Leid von Menschen, die aus entsetzlichen Lebensumständen flüchten, sprechen, wenn wir über die Solidarität denen gegenüber sprechen, sollte Geografie hinten anstehen und Menschlichkeit unser einziger Kompass sein. In einer globalisierten Welt, können wir in unserer Solidarität nicht selektiv sein. Von solchen Privilegien sollten wir Abstand nehmen.